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Politisches Projekt Villa Rosenau
Im Jahre 2004 kam wieder mal Bewegung in die Szene um die besetzten Häuser in Basel, denn das langjährige Kultur- und Wohnzentrum „Elsie“ ( 1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 ) sollte zum Sommer geräumt werden. Das hat verschiedene Menschen zum Hausbesetzen verleitet, woraus dann, nach vielen verschiedenen Versuchen und viel Zeit und Energie, ganz am Stadtrand, mitten im Industriequartier, die Besetzung der „Villa Rosenau“ entstand. Die „Rosenau“ war früher eine Siedlung mit Sozialwohnungen, die inzwischen dem Industriegebiet weichen mussten. Die Villa ist das letzte Haus dieser Siedlung.
    
Die Lage der Liegenschaft und der nach vielen Besetzungsversuchen und anschliessenden Räumungen aufgebaute politische Druck führten dann dazu, dass sich die Stadt Basel (die Liegenschaft wurde und wird vom Tiefbauamt Basel-Stadt verwaltet) dazu entschloss, die Besetzung der Villa zu tolerieren. Ein Tolerieren blieb es auch, denn obwohl die BesetzerInnen am Anfang Verhandlungen versuchten und Verträge wälzen wollten, ging das Tiefbauamt darauf gar nicht ein. „Wir betrachten die Besetzung weiterhin als illegal und fordern Sie auf, die Liegenschaft sofort zu verlassen.“ Das war die Standardantwort.
Bis heute hat sich das für uns als grosser Vorteil rausgestellt, denn niemand ist irgendwie haftbar. Einerseits senkt der vertragslose Zustand unsere Kosten (bis zum heutigen Tag haben die Basler SteuerzahlerInnen den Strom und das Wasser für die Villa bezahlt). Andererseits haben bis heute keine Menschen ihre Namen irgendwo auf ein Papier gesetzt, was aus repressions- und fichiertechnischer Sicht sehr vorteilhaft ist.
    
Seit der Besetzung bietet die „Villa Rosenau“ Wohnraum für zehn bis zwölf Menschen (und ein bis zwei Hunde) und Raum für vielfältige Aktivitäten und Projekte. So gibt es neben einem Kino auch einen Konzertraum mit Bar, ein grosses Sitzungs- und Veranstaltungszimmer, eine Werkstatt, eine Bibliothek, eine Sauna, ein Gästezimmer mit Küche, öffentlich zugängliches „gratis“ Internet und vieles mehr. So haben denn viele zum Teil auch sehr kontroverse Infoveranstaltungen bei uns stattgefunden, beispielsweise zu Palästina, Libanon und Kurdistan.
Es wurden grosse und kleine Soli-Anlässe veranstaltet, unter anderem für Chiapas und Oaxaca, Erdogan E. ( 1 | 2 | 3 ) und die Antira Initiative „Kein Mensch ist illegal“. Auch hat die Villa Zeit ihres Bestehens Raum für viele Menschen geboten, die sich aktiv in gesellschaftspolitische Prozesse einklinken wollten. So gab es zahlreiche Sitzungen und Aktionen zum 1.Mai, gegen das WEF, für die Freilassung (politischer) Gefangener und vieles mehr.
    
Klar war immer der emanzipatorische Anspruch an das Projekt, der sich von den Prozessen unter uns (kollektiver Putztag) bis zum Schriftzug auf dem Dach („Free Camenisch“) erstreckt. Dabei haben auch Gruppen und Menschen diese Möglichkeit genutzt, die nicht unbedingt auf der politischen Linie der BewohnerInnen waren – „Solidarität kennt eben keine Grenzen!“
Nun ist die Villa von der Räumung bedroht – das an sich ist ja noch kein so grosses Ereignis. Häuser werden besezt und wieder geräumt. Doch die Villa ist momentan das einzige besetzte Haus in Basel. Wenn sie geräumt wird, ist Basel ohne Squat. Das gilt es nun aktiv zu verhindern. Das Tiefbauamt hat den Räumungstermin auf Ende Juni 2008 gesetzt. Alles weitere wird sich ergeben...
    
Häuser, Boden und Betriebe – besetzten, kollektivieren, selber verwalten!
One solution – revolution!
Die BewohnerInnen der Villa
Basler Linie
Basel hat eine lange Geschichte von Besetzungen und eine lange Geschichte von Repression im Zusammenhang mit Freiraumkämpfen. Seit der Etablierung der Villa Rosenau wurden neue Besetzungen in Basel meist sofort geräumt, um ein Erstarken der SquatterInnenszene zu verhindern. Diese zeigt sich jedoch kämpferisch.
So wurde nach einer langen Phase von Besetzungen mit darauf folgenden Räumungen, Repressionen und Kriminalisierungen am 1. Mai 2007 das Hotel Stein&Graben besetzt ( 1 | 2 ). Dazu wurde ein Infoheft (PDF) erstellt und verteilt. Bereits am 7. Mai fand die gewaltsame Räumung mit dutzenden Verhaftungen statt ( 1 | 2 ). Einige Monate später erfolgte eine Wiederbesetzung des Hotels, die von Seiten der Stadtverwaltung mit einer sofortigen Räumung beantwortet wurde ( 1 ).
  
Aber nicht nur SquatterInnen sind von harter Repression betroffen. Linksradikale Politik wird im Allgemeinen zu ersticken versucht. Zum Beispiel waren gegen das alljährlich stattfindende WEF ( 1 | 2 ) auch in Basel Aktionen geplant. Der Protest wurde jedoch von den Bullen am 26.01.2008 massiv angegriffen und unterdrückt (1 | 2 | 3 | 4 | 5 ). Als Reaktion auf die Kriminalisierung der diesjährigen Anti-Wef-Proteste fand am 01.03.2008 eine Antirepressionsdemo in Basel statt ( 1 | 2 | 3 ).
Am 26.03.2008 folgte der Räumungsbescheid gegen die Villa Rosenau. Am 11.04.2008 wurde im Rahmen der dezentralen Freiraum-Aktionstage ein Infocafé in einem neubesetzten Kultur- und Wohnprojekt in der Vogesenstrasse 100 eröffnet. Noch am selben Tag erfolgte die Räumung, 15 Personen wurden verhaftet.
 Für die Besetzung am 11.04.2008 in der Vogesenstrasse 100
Communiqué vom 09.04.2008
Villa Rosenau von Räumung bedroht
Nun ist auch der letzte selbst verwaltete, nicht-kommerzielle Freiraum Basels, die Villa Rosenau, in seiner Existenz bedroht. Das im Herbst 2004 besetzte Haus ist das einzig wirklich belebte und „grüne“ Haus im Industrieareal zwischen dem Zoll St. Louis Grenze, dem Grand Casino und dem Schlachthof. Es soll Ende Juni geräumt werden. Dies geht aus einem Brief des Basler Tiefbauamtes vom 26. März 2008 hervor. Begründet wird die Räumung und der daraufhin geplante Abriss des Hauses mit der gesetzlichen Verpflichtung, als Kompensation für den Bau von Autobahnen Grünfläche zu schaffen. Laut Tiefbauamt müsse diese Grünfläche mit dem Abschluss der Nordtangente auf dem Gebiet der Hagenau geschaffen werden. Dies ist allerdings nur ein Vorwand. Das Gesetz schreibt nicht vor, wo eine Grünfläche geschaffen werden muss. Dass ausgerechnet ein Wohn- und Kulturraum weichen soll, um zwischen Autobahn und Müllverbrennungsanlage eine Grünfläche zu schaffen, ist für uns unverständlich. Unglaubwürdig erscheint die Argumentation auch deshalb, weil bis Februar das Tiefbauamt Verhandlungen über einen Gebrauchsleihvertrag mit uns führen wollte, die zu keinem Ergebnis führten.
        
Im Moment versucht das Tiefbauamt, die Verantwortung auf den Bund abzuschieben: Seit dem 1. Januar 2008 sei der Bund im Rahmen des Aufgaben- und Finanzausgleichs für das Areal zuständig. Doch den Brief mit der Räumungsandrohung schickte das Tiefbauamt. Ein weiteres Argument des Tiefbauamtes kann ebenfalls widerlegt werden. Herr Frauchiger vom Tiefbauamt behauptete in einem Artikel des Gratis-Blattes 20-Minuten vom 4. April, sie hätten die Strom- und Wasserrechnungen der Villa Rosenau in den letzten Jahren gezahlt/zahlen müssen, weil der IWB der Zugang verwehrt worden sei. Dies ist gelogen: Einerseits war die IWB mehrmals im Haus, um den Zähler abzulesen, andererseits wurde von Seiten der Villa schon im Sommer 2005 vorgeschlagen, die Kosten zu übernehmen. Daraufhin gab es keine Reaktion – möglicherweise deshalb, weil dies als eine Anerkennung des Wohnverhältnisses gegolten hätte. Zudem haben wir im Januar diesen Jahres direkt mit der IWB einen mündlichen Vertrag abgeschlossen, sodass in Zukunft der Verein Villa Rosenau die Rechnungen bezahlen wird.
Wofür soll die Villa stehen
Die Villa bietet Platz für Wohnraum sowie für ein breites Kultur- und Politprogramm. Die selbst aufgebaute Infrastruktur, wie die Bibliothek, der freie Internetzugang, das Kino, der Bandproberaum, die Werkstatt, und der Gästebereich mit eigener Küche stehen allen offen, die sich mit den Grundsätzen eines diskriminierungsfreien Raumes, sprich aktives Eintreten gegen Rassismus, Sexismus, Homophobie einverstanden erklären. Zu den alltäglichen Aktivitäten der Menschen, die diesen Raum nutzen, gehört die Organisation von Konzerten, veganen Volksküchen, politischen Infoveranstaltungen oder Workshops, um Begegnungen zu ermöglichen, Wissen weiterzugeben, und so den Austausch zwischen Menschen unterschiedlicher Herkunft anzuregen. Für die Erhaltung dieses Raumes sind wir bereit zu kämpfen.
 Tag der Landlosen am 17.04.2008 am Claraplatz
Aus für Freiräume
Schweiz- und europaweit bewegt sich die (Stadt-)Entwicklung dahin, dass nicht in das gängige Schema passende Freiräume von Repression und Räumung bedroht werden. Beispiele dafür sind das Ungdomshuset in Kopenhagen und das Rhino in Genf, um nur zwei aktuelle Beispiele zu nennen. Besetzte Häuser, die sich der kapitalistischen Verwertungslogik zu entziehen versuchen, sind den Herrschenden ein Dorn im Auge. Mit der Entwicklung verbunden sind Schlagworte wie „Stadtbildaufwertung“, Zero Tolerance oder „Sicherheit“. Es lässt sich grundsätzlich eine Tendenz hin zu Normierung oder dem Ausschluss und der Bekämpfung von rand- und widerständigen Gruppen beobachten.
Häuser besetzen – Warum?
Warum besetzen wir Häuser? Und warum werden wir damit auch nicht aufhören? Gründe dafür gibt es viele. Es ist offensichtlich, dass die heutige Situation für einen Grossteil der Menschen eher aussichtslos als erstrebenswert erscheint. Wir reden davon, dass ein Grossteil der Menschen in Basel keine 5'000 Franken verdient. Dass es hier Menschen gibt, die kein geregeltes Arbeitsverhältnis oder gar keine Lohnarbeit haben. Dass in der Schweiz nicht jede/r der Meinung ist, dass materieller Wohlstand die Essenz eines schönen Lebens ist. Dass es auch noch Menschen gibt, die nicht das Geld haben oder je hatten, die hohen, überteuerten Mieten in der Stadt Basel zu bezahlen. Abgesehen davon gibt es vielleicht auch noch andere Vorstellungen davon, was es bedeutet zu leben. Manche Menschen sehen keinen Grund, sich in ihrer Lebensfreude einschränken zu lassen, nur weil ihre Vorstellungen nicht in das herrschende System passen. Andere haben einfach nur das Bedürfnis, ihren Lebensraum in eigener Verantwortung zu formen und zu gestalten.
  
Um was geht es hier konkret? Um leerstehenden Wohn- und Lebensraum, in einer Zeit der herrschenden Wohnungsnot; in der günstiger Wohnraum zu einer wahren Rarität wird. Darum, dass immer mehr Räume in unserer Stadt klar definiert sind. Wir wehren uns gegen eine Stadtpolitik, die aktiv Wohnraum zerstört und so sozial Schwächere marginalisiert. Nur wenige Orte lassen es zu, eigene Ideen zu entwickeln und ohne Konsumdruck gemeinsam zu verwirklichen. Darum besetzen wir. Weil Besetzen Freiräume eröffnet, die den Menschen vorenthalten werden (wie so vieles andere auch). Weil Menschen, die mit wenig Geld ihr Leben gestalten, aus der Innenstadt gedrängt werden. Alternativkultur ist nur dann erwünscht, solange sie kontrollierbar bleibt und Geld einbringt.
Wie weiter?
Das Verhalten des Tiefbauamtes erscheint uns unorganisiert und widersprüchlich. Gerade weil die Leute von der Villa Rosenau von Anfang an verhandlungsbereit waren, ist die plötzliche Räumungsandrohung nicht nachvollziehbar. Wir sind weiterhin für Verhandlungen offen. Für uns ist auf jeden Fall klar, dass wir die Räumung nicht einfach kampflos hinnehmen werden. Für uns bedeutet das auch, jede erdenkliche Möglichkeit in Erwägung zu ziehen, um diesen Raum zu erhalten und neue Räume zu schaffen. Was wir fordern ist nicht die Kultur, sondern den Raum und die Zeit, um diese selber entstehen lassen zu können.
No retreat, No surrender!
    
Chronik der Verhandlungen
- September - Dezember 2004
Am 2.9.04 wird die Villa Rosenau an der Neudorfstrasse 93 in 4056 Basel besetzt ( 1 | 2 ). Besitzerin ist die ASTRA (Bundesamt für Strassen), verwaltet wird die Liegenschaft vom Tiefbauamt Basel. Urs Müller vom Grünen Bündnis Basel erklärt sich bereit, zwischen BesetzerInnen und Behörden zu vermitteln. Besichtigung des Hauses durch Politiker und Mitarbeiter des Tiefbauamtes zwecks Besprechung der weiteren Vorgehensweise. Konkrete Ergebnisse wurden nicht erzielt. Wegen des angeblich schlechten baulichen Zustands des Gebäudes wird ein Vertrag seitens des Tiefbauamtes abgelehnt. Auf das Angebot der BesetzerInnen, Strom und Wasser selber zu bezahlen, wird nicht reagiert. - 2005 – 2007:
Das Komitee „Pro Villa Rosenau – für selbstbestimmten Wohn- und Kulturraum“ wird gegründet. Die Besetzung wird weiterhin geduldet, Strom und Wasser trotz Drohung der Abschaltung weiter vom Tiefbauamt bezahlt. Gesprächsangebote werden abgelehnt.

- Spätherbst 2007:
Das Kollektiv Rosenau erfährt über Urs Müller vom Wunsch des Tiebauamtes, erneut über einen Vertrag zu verhandeln. Kontakt wird aufgenommen. Brief des Tiefbauamtes mit der Argumentation, einen Vertrag als Grundlage für die Zustellung von Wasser- und Stromkosten sei notwendig. Vertrag und Zahlungsaufforderungen liegen bei. - 2008:
Der Verein Villa Rosenau antwortet im Januar mit einem abgeänderten Gebrauchsleihvertrag. In einem Brief vom 17. Januar lehnt das Tiefbauamt den neuen Vertrag ab, und ersucht den Verein, das ursprüngliche Dokument zu unterschreiben oder „das Haus zu verlassen“. Auch kündigt es die Lieferung von Strom und Wasser bei der IWB (Industrielle Werke Basel). Die Rosenau schliesst daraufhin eigenständig einen Vertrag mit der IWB ab. Brief vom Tiefbauamt vom 26. März: Es wird die Räumung der Villa Rosenau zum 30. Juni 2008 angekündigt. Als offizielle Begründung dient die gesetzliche Schaffung von „Ersatzgrünflächen“. Das Tiefbauamt zeigt sich nicht bereit, mit dem Kollektiv Rosenau zu verhandeln.

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